Vichy

Frankreich

Vichy, die sogenannte „Königin der Kurstädte“, ist die renommierteste und bekannteste Kurstadt Frankreichs. Sie diente als Vorbild für Kurstädte in ganz Frankreich und sogar in seinen Kolonien. Die Kurstadt befindet sich auf einer Ebene am Fluss Allier. Der bis zu 200 Meter breite Fluss prägt das malerische Bild der Stadt, die sich entlang des Flusses ausbreitet.

Auch in Vichy waren die Quellen schon unter den Römern bekannt. Vermutlich siedelten sogar die Kelten an den 289 heißen und kalten Mineralquellen. Im 14. Jahrhundert wurde Vichy in das Haus der Bourbonen eingegliedert und 1527 gemeinsam mit anderen bourbonischen Besitztümern Eigentum des Königreichs Frankreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts hatte die kurative Wirkung der Mineralquellen einen weit verbreiteten Ruf erlangt. Im Jahre 1605 schuf Heinrich IV. von Frankreich den Posten des Superintendanten der französischen Mineralquellen. Er hatte die Aufgabe, im Auftrag des Königs die Bäder und Brunnen zu kontrollieren und zu verwalten.

Berühmtester Kurgast des 17. Jahrhunderts war die französische Aristokratin Marquise de Sévigné, die sich 1676 und 1677 in Vichy aufhielt und deren Briefe die Behandlungen ihrer Kur und den damals eher kruden Lebensstil vor Ort detailliert beschreiben. Zu dieser Zeit bestand lediglich ein Etablissement, das Königshaus (erbaut um 1630), ausgestattet mit zwei Becken. In einem Brief an ihre Tochter schreibt sie: "Ich habe heute mit der Dusche angefangen; es ist eine ziemlich gute Wiederholung des Fegefeuers. Wir sind ganz nackt an einem kleinen Ort unter der Erde, wo wir ein Rohr mit diesem heißen Wasser finden, das eine Frau einem hinstellt, wo man will [...] Stellen Sie sich einen Wasserstrahl gegen eines meiner armen Körperteile vor, das heißeste, was Sie sich vorstellen können. [...] Aber wenn es in den Nacken geht, ist es eine Art von Feuer und Überraschung, die man nicht verstehen kann. Dies ist jedoch der springende Punkt. Man muss alles erleiden, und man erleidet alles, und man verbrennt sich nicht, und dann legt man sich in ein warmes Bett, wo man stark schwitzt, und das ist es, was heilt."

Dennoch wuchs die Beliebtheit Vichys bei der Aristokratie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. 1785 wurden nach dem Besuch der Töchter König Ludwigs XV. ein Badehaus und eine Arkade mit den Quellen gebaut. 1812 wurde der Parc des Sources auf Wunsch von Napoleon Bonaparte angelegt und war der Grundstein und prägendes Element des künftigen Stadtgrundrisses. Doch den Aufstieg zur bedeutenden Kurstadt, ist Napoleon III. zu verdanken. Er ermutigte den Bau einer neuen Kurstadt. Vichy sollte zu einem kosmopolitischen „kleinen Paris“ werden, mit Parks und Boulevards, großen Badeeinrichtungen und Trinkhallen, verbunden durch überdachte Promenaden und mit einem Theater, einem Kasino sowie luxuriösen Hotels und Villen.

Die Pläne wurden 1856 vom staatlichen Architekten für Thermaleinrichtungen, Charles-Edouard Isabelle erstellt und 1861 durch kaiserlichen Erlass genehmigt. Der Plan umfasste zwei Hauptelemente: den Park entlang des Flusses und das "Patte d'oie", das vom Bahnhof zu den Bädern und Parks führt. Vichy verknüpfte dabei urbane Prinzipien aus Paris mit denen einer Kurstadt, wie beispielsweise die zentrale Bedeutung von Perspektiven und Achsen sowie die Proportionen der Gebäude und ihre Behandlung nicht als unabhängige Strukturen, sondern als Orte in einer einheitlichen Stadtlandschaft. Ein weiteres Prinzip galt der enormen Bedeutung von Grünflächen innerhalb der Stadt. Alle wichtigen Kurhäuser, Bäder, Trinkhallen, das Casino, Hotels und viele der Villen, konzentrieren sich im westlichen Teil des Dreiecks zwischen den Parks entlang des Flusses und dem Parc des Sources.

Ein weiterer Faktor, der zum Erfolg der Kurstadt beitrug, war die Ankunft des französischen Komponisten und Dirigenten Isaac Strauss in den 1840er, der, nachdem er in Aix-les-Bains gearbeitet hatte, die Organisation der Bälle in Vichy übernahm. Alle französischen Schriftsteller, Künstler und Freigeister besuchten Vichy, von Sartre bis Delacroix über Dumas, Cézanne, Flaubert und viele mehr. Ebenso Intellektuelle, Musiker, Schauspieler, die Damen des Demi-Monde, die als elegant auftretende, aber zwielichtige, anrüchige Gesellschaft galten und auch Schriftsteller aus dem Ausland, wie Tolstoi, Turgenev und Walter Scott suchten das Vergnügen in Vichy. Die Entwicklung des Sports für die Aristokratie und die Gründung von Vereinen ist typisch für die internationale Gesellschaft von Vichy und umfasst Reitsport, Tennis, Golf sowie Kanu- und Rudersport auf dem Fluss Allier. Ein weiterer gesellschaftlicher Sport, der den Frauen besonders Spaß machte, war das Taubenschießen, das ab den 1880er Jahren praktiziert wurde.

Im Jahr 1900 lancierte Vichy sein Markenimage als "Königin der Bäder" und begrüßte über 100.000 Besucher. Viele der Einrichtungen waren nicht auf die hohe Besucherzahl ausgelegt, was zu weiteren baulichen Neuerung in der Stadt führte, wie dem Bau des Theaters 1898 bis 1903 innerhalb des bestehenden Casinos. Das nach Plänen von Le Coeur und Woog entworfene Theater ist heute eines der besterhalten Art-Nouveaux Theater Frankreichs mit originalen Wandgemälden und Ornamenten. Die Trinkhalle, ist ein weiteres Beispiel des französischen Art Nouveaux und spiegelt das Streben der Stadt nach Modernität und Eleganz zur Jahrhundertwende wider. Sie fasst die Quellen Grande Grille und Chomel und ist durch überdachte Galerien mit dem Casino und Hotels verbunden.

Zwischen 1940 und 1944 war Vichy Sitz des französischen Staates. Doch Vichy knüpfte nach Kriegsende mit dem Abfüllen des Mineralwassers („reine des villes d’eaux“) - welches in großen Mengen weltweit exportiert wird - an seine erfolgreiche Zeit wieder an. Das Mineralwasser war außerdem die Grundlage für den Erfolg der später aufkommenden Kosmetikmarke Vichy, die zur führenden europäischen Marke für Gesichtspflege wurde. Vichy knüpft an ihre kulturelle Tradition an und sorgt im Casino-Theater nach wie vor für eine brillante Opernsaison, bietet einen Kongresspalast und veranstaltet jährlich das Festival d'été, ein Sommerfestival, das musikalische Erbe der Stadt wiederaufleben lässt.

(Von Isabelle Mühlstädt, Stabstelle Welterbebewerbung und Stadtgestaltung Baden-Baden)

Bildunterschrift:
Geprägt von Parks und Boulevards sollte Vichy Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem kosmopolitischen „kleinen Paris“ werden.

Foto: Joël Damase

www.vichy-destinations.fr